
Anis (Pimpinella anisum) ist eine Gewürz- und Heilpflanze in der Familie der Doldenblütler (Apiaceae). Der Name geht auf das griechische Wort ανηθον für Dill zurück, mit dem der Anis verwechselt wurde.
Ursprünglich im östlichen Mittelmeerraum beheimatet, wird Anis heute weltweit in Gebieten mit gemäßigtem Klima angebaut. Hauptanbaugebiet ist Südrussland. Im Mittelalter wurde die Pflanze auch nördlich der Alpen angebaut, obwohl hier das Wetter nicht verlässlich genug war, um die Früchte in jedem Sommer ausreifen zu lassen. Anbaugebiete waren zu dieser Zeit beispielsweise die Gegend um Erfurt, Bad Langensalza, Mühlhausen und Magdeburg, wo es auch Anisölbrenner gab, die das ätherische Öl durch Destillation mit Wasserdampf gewannen.
In der westlichen Küche wird Anis heute vor allem in Brot und Backwaren verwendet. Hauptsächlich wird Anis jedoch Spirituosen und Likören beigemischt, wie etwa Sambuca, Rakı, Ouzo, Absinth, Pastis, Aguardiente und Anisette (siehe Anisee). Anis wird hier jedoch zunehmend vom Sternanis (Illicium verum) abgelöst, der aus China kommt. Sternanis hat einen ähnlichen Geschmack, sieht aber völlig anders aus und ist nicht näher mit dem echten Anis verwandt.
Daneben spielt Anis eine Rolle bei der Herstellung von Süßwaren. So werden beispielsweise im kleinen französischen Dorf Flavigny-sur-Ozerain (Département Côte-d'Or) die berühmten Anis de Flavigny-Bonbons hergestellt.
Das Aroma wird von Anethol bestimmt, das mit 90 % der Hauptbestandteil des ätherischen Öls ist. Pflanzen mit sehr ähnlichem Aroma sind Fenchel (der den Anis in Asien vollständig ersetzt) und die heutzutage selten verwendete Süßdolde (Myrrhis odorata).
Anis wird seit langem sowohl in der Küche als auch in der Duftindustrie verwendet. Ausgrabungen auf Santorin ergaben, dass die Verwendung von Anis im 16. Jahrhundert v. Chr. allgemein üblich war und die alten Kreter würzten ihre Weine neben Koriander, Wacholder, Dost auch mit Anis. Schon im 7. Jahrhundert v. Chr. betrieben Athen und Korinth einen lebhaften Handel mit Duftölen, in denen auch der Anisduft eine Rolle spielte. Pythagoras von Samos bezeichnete um 550 v. Chr. mit Anis gewürztes Brot als köstliche Delikatesse. Bei den Römern hielt der Anis Einzug in die Feinbäckereien; Kuchen, die bei hohen Festlichkeiten gereicht wurden, waren mit Anis-Früchten gewürzt. So berichtet Vergil von Aniskeksen. Bei Ausgrabungen im römischen Kolosseum entdeckte man Anisfrüchte, die die Zuschauer der Gladiatorenkämpfe zwischen den Sitzreihen verloren hatten.
Der Aniskringel ist eine sehr alte Opferspeise, die in Norddeutschland bei Gildegelagen, Erntefesten, beim Ringreiten und Frühlingsfesten ins süße Bier – oder noch früher in Met – eingebrockt wurde. Auch an ihrem Hochzeitstag teilte die Braut dieses Gebäck an bevorzugte Gäste aus. Wenn sie aus der Kirche kam, setzte sie sich vor „dat Hörnschapp" (Eckschrank). Jede Frau, die ihr ein Geschenk machte, bekam dafür aus einer zinnernen Schale einen Löffel voll süßem Bier mit eingebrockten Kringeln.
Anis galt in vielen ländlichen Gebieten als Aphrodisiakum. Im Herbst, wenn man sich nach der Feldarbeit wieder häuslichen Pflichten zuwandte, bereiteten die Frauen und Mädchen ihren Männern anishaltige Getränke. Am 30. November (Andreastag) sollte er besonders zauberkräftig sein. In Böhmen hieß dieser Tag Anischtag.
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